Jeder von uns kennt sie: die Männer und Frauen, die immer dann anrufen, wenn’s gerade gar nicht passt! Sie wollen uns einen neuen Telefon-, Handy- oder DSL-Vertrag vorstellen, ein Lotterielos andrehen oder uns ein paar Frage zu einer kurzen Umfrage stellen. In der Regel wimmelt man solche Leute ab, denn einen neuen Vertrag will man in der Regel nicht und schon gar nicht von den Anbietern, die da beworben werden. Geld für Lose hat man erst recht nicht übrig, wo doch die Chance auf einen 6er bei etwa 1 : 14.000.000 liegt. Und die kurzen Umfragen arten in aller Regelmäßigkeit zu 15-minütigen Interviews aus, wo man sich auch noch ‚zig Antworten merken und dann zielsicher daraus auswählen soll.
Das dahinter arme Schlucker stecken, ist mir heute wieder beim Lesen eines entsprechenden Berichts bei teltarif.de bewußt geworden. Sie arbeiten mind. 30 Stunden die Woche für selten mehr als 6 Euro pro Stunde. Dabei führen sie zwischen 50 und 200 Gespräche pro Schicht. Und die Arbeitsbedingungen sind alles andere als rosig:
- Wie die Hühner im Stall arbeiten 3 bis 4 Personen an einem Rondell, voneinander meist nur durch Sicht- aber kaum durch Hörschutz getrennt; jeder Raum wird mit so vielen Rondellen wie möglich ausgestattet. Auf engstem Raum hantiert jede(r) mit Computer, Headset sowie Zettel und Stift.
- Innerhalb einer (vom Auftraggeber) vorgegebenen Zeit müssen Probleme gelöst oder eine bestimmte Anzahl von Produkten verkauft werden, was einen permanenten Leistungsdruck erzeugt.
- Pausen zwischen zwei Gesprächen gibt es nicht: Permanent werden Gespräch durchgestellt; kaum konnte man einen Anrufer zufriedenstellen bzw. überzeugen, schon wird der nächste Anrufer über die computergesteuerte Telefonanlage durchgestellt.
Schwarze Schafe lauern überall
Und wer hat noch nicht von den vielen(?) schwarzen Schafen der Branche gehört? Da wird aus Informationsmaterial ein verbindlicher Auftrag, aus einem Probeabo eine mehrjährige Abnahmeverpflichtung und aus dem Super-Dupper-Kombilos selbst im Falle eines Volltreffers ein Minigewinn, weil er ja unter allen Beteiligten geteilt werden muß.
Erst vor kurzem konnte der Undercover-Agent Enthüllungsjournalist Günter Wallraff (wieder mal) „aus dem Nähkästchen plaudern„, weil er sich unter diese Ameisen des Telefogesprächs gemischt hatte und vermeintlich mitarbeitete.
Ich rufe und keiner hört versteht mich!
Und wer kennt sie nicht diese Servicehotlines, bei denen man erst einmal etliche Minuten (für 14 Cent oder gar 1,99 Euro pro Minute) in der Warteschleife verbringt bei nervtötender Duddelei freundlicher Musik um anschließend mit einem „tuu-tuu-tuu …“ aus der Leitung geschmissen zu werden? Oder wo der Mitarbeiter am anderen Ende noch schlechteres Deutsch sprechen als man selbst und die Sprachqualität einem Langwellenradiosender unter Wasser gleicht?
Und geholfen wird einem i.d.R. auch nicht, denn entweder kann die / der am anderen Ende der Telefonleitung uns gar keine Auskunft geben oder nur den Vorgang aufnehmen und an die Technik / den Vertrieb / die Buchhaltung [habe ich was vergessen?] weitergeben oder uns weitervermitteln, weil man ja da mit seinem Anliegen ganz falsch wäre!
Alles wird gut …
Das Wachstum dieser Branche scheint kein Ende zu kennen, Qualifikation schien bisher kein Thema zu sein, Hauptsache belastbar und billig zu haben!
Selbst ein so unsinniges Projekt, wie die Hotline (eines bekannten Computeranbieters) zu Callcenter-Mitarbeitern nach Indien umzuleiten, wurde nicht nur gedacht sondern auch in die Tat umgesetzt; erst als sich die Kundenzufriedenheit in Bezug auf den Telefonsupport immer weiter verschlechterte, wurde das Projekt gestoppt.
Nun soll das Ganze (noch?) professioneller werden; Qualität und Qualifizierung sollen weit stärker in den Vordergrund rücken!
Doch wenn das wirklich wahr würde, wird sich das Ganze dann noch wirtschaftlich betreiben lassen? Basiert nicht gerade das Wachstum in dieser Branche auf der Ausbeutung und dem ständigen Heer an noch nicht Ausgenommen?